| Folgende Texte stammen aus der umfangreichen Literatursammlung von Gerhard Dönig, Erlangen:
1947 Meyer A. Virgata 169-175 (Ausschnitt) Süntel-, Renk- und Studbuchen. ....Süntel heißt ein 441 m Höhe ü.M. erreichender Hügelzug zwischen Leine und Weser. Bekannte Orte in seiner Nähe sind Hameln, die durch die Rattenfängersage berühmte kleine Stadt, und der Bückeberg, wo das dritte und letzte Reich seine Erntedankfeste feierte. Wir lernten die Gegend von Hessisch-Oldendorf aus kennen. Eine halbe Stunde ob Oldendorf, wo sich eine vom Schweizer Dr. Zwicky geleitete große Schuhfabrik befindet, stand die riesenhafte knorrige "Süntelbuche"; in Hameln waren einige "Süntelbuchen" auf dem Spielplatz vor der Volksschule angepflanzt. Eigentliche Bestände gibt es auf dem Süntel selbst. Aber unter "Süntelbuche" ist beileibe nicht jede Buche zu verstehen, die auf dem Süntel wächst. Es ist vielmehr eine ganz besonders knickförmig, bald sperrig, bald schlangenförmig wachsende und sich ausbreitende Art, die geradezu Zickzack-Buche, Krüppel- oder eben Süntelbuche genannt wird, Fagus tortuosa. Einmal finden wir auch den Namen Fagus sünteliensis. In der forstlichen Literatur ist sie wohl zum erstenmal im September 1843 geschildert worden von Oberförster Tilemann 1) zu Eschede im damaligen Fürstentum Lüneburg. Er stellte vor hundert Jahren am Hülseder Berg, einem etwa 170 bis 250 m hohem Ausläufer des Süntels, auf rund 230 ha einen damals 100 bis 150jährigen Buchenbestand fest, von dem alle Stämme einen "äußerst merkwürdigen Wuchs" aufwiesen. Er meinte, der Boden sei wohl an dieser Wuchsform schuld, um so mehr, als auch inmitten der Buchen stockende Hagebuche sehr abnorm sei. Tilemann stellt sich vor, es gebe im unterliegenden Gestein viele Schluchten, die einen Luftzug unter dem Bestand veranlassen und dadurch dem Boden einen zu hohen Kältegrad geben... eingehender befaßte sich mit der Süntelbuche über sechzig Jahre später Forstmeister Franz Boden in Hameln 2). Noch vor ihm widmete auch H. Burckhardt 3) den "widersinnig gewachsenen Horsten der Süntelbuche" einige Bemerkungen. Er führte das Vorkommnis darauf zurück, daß die Süntelbestände früher den ärgsten Misshandlungen geraume Zeit preisgegeben gewesen seien. "Wie sehr man auch bemüht ist, diese abnormen, mehr oder weniger sich vererbenden Missbildungen der Süntelbuche in den betreffenden Buchenbeständen, welche auch und meist vorwiegend geradwüchsiges Holz enthalten, mit der Axt zu verfolgen, so bilden sich doch immer wieder in den beständen bemerkbare Samenhorste von ähnlichen Gestalten aus, die auf Jura- wie Muschelkalk, anderwärts auf Pläner, selbst auf Keuper vorkommen."
Soweit Burckhardt. Fm. Boden wendet sich gegen die Bezeichnung "Schlangenbuche", die mit der Süntelbuche durchaus nichts zu tun habe. Denn letztere habe einen vollendeten Sperrwuchs, während jene einen glatten Wuchs zeigen und überall vorkämen, wo Buchenniederwald in Hochwaldbetrieb überführt worden sei;...Solche Schlangenbuchen, die wohl Fagus silvatica var. virgata oder fastigiata (statt tortuosa) zu nennen wären, finden sich ja in der Tat wohl überall auf schneereichen und dem Wind ausgesetzten Kämmen. Prächtige Muster solcher niederliegenden und sich dem Boden entlang windenden, wie von Hängebuchen und eben auch von entschieden den Süntelbuchen gleichenden Buchen fand ich z.B. im Napfgebiet am Grenzkamm zwischen den Kantonen Bern und Luzern auf der Krähbühlalp. Wahrscheinlich ist die Süntelbuche verbreiteter, als nach ihrer seltenen Erwähnung in der forstlichen Literatur zu vermuten wäre. Bei Kirchner, Löw, Schröter sind noch zwei Standorte in Westfalen, ferner einzelne in Nassau und auf der Eifel genannt: im Gemeindewald Bechy bei Remilly in Lothringen heißen zwei auffallende Süntelbuchen "jolis foux". Am Zweigsystem der knickig hin und hergebogenen Stämme fällt auf, daß die Frühlingssprosse klein, die Johannistriebe groß werden. Ein von Rübel 4) aus dem Cirque Du Chaux Cantal (Auvergne), 1380 m ü.M. gebrachtes Bild eines 80- bis 120jährigen Buchenwaldes zeigt einige Stämme, die typische Süntelbuchen sein könnten.... Vor allem aber benutzte Engler das Buch von Professor Oppermann 6), der überraschen viele und groteske Bilder von "Renkbuchen" brachte. Wie im Süntel stehen dicht neben den Renkbuchen-Beständen im dänischen Seeland tadellose Buchenstangenhölzer. Engler und Oppermann hielten die Renkformen für besondere und erbliche morphologische Rassen. Auch bei uns fand Engler Buchen mit erblichen Anlagen zu breitem, schlechtem Wuchs, die durch lange währende Überschirmung gegenüber den schlanken Formen begünstigt werden. ... Aus dem vergleichenden Anbau von Renk- und normalen Buchen im Adlisberg zog auch Hans Burger 8) den Schluß, daß die Eigenschaften der Mutterbäume stark nachwirken. Die Kulturen zeigen aber auch klar, daß selbst Renk- oder Süntelbuchen günstigere Wuchsformen annehmen, wenn sie im dichten Schluß einer natürlichen Verjüngung aufwachsen. Wenn auch nicht alle Formfehler der Eltern sich auf die Nachkommen übertragen, so werden wir uns aber doch zu hüten haben, etwa Samen von Süntelbuchen für Begründung von Nutzwald zu verwenden. Nach einer bei Kirchner erwähnten Angabe ergäbe die Hälfte der Sämlinge aus Süntelbuchensamen normale Pflanzen. Zu obigen Ergebnissen vergleiche man die Untersuchungen von Alfred Kurth 9)... Heute bildet im Genttal die "Studbuche" reine Bestände bis 1600 m ü.M.
1 )Über den abnormen Wuchs der Buche in den Hülseder Gemeinde- Forsten, Amt Lauenau im Königreiche Hannover. Pfeils Krit. Blätter, 19. Bd., 1. Heft, 1844. 2) Der wirtschaftliche Wert der Süntelbuche, Fagus tortuosa. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 1906 3) Säen und Pflanzen VI. Aufl., Trier 1893 (Seiten 119 und 181) 4) Pflanzengesellschaften der Erde. Bild 74 6) Vrange Boege i det nordoestlige Sjaelland. Det forstl. Forsoegsvaesen, II, 1908. Und Renkbuchen in Dänemark. 7) Centralbl. für die ges. Forstw., 1909. 8)Dänische und schweizerische Buchen. Notizen aus der Schweiz. forstl.Versuchsanstalt, Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen, 1933. 9) Untersuchungen über Aufbau und Qualität von Buchendickungen.Mitteilungen der Schweiz. forstl. Versuchsanstalt, Bd. XXIV, 2. Heft,1946.
1998 Dr. Hans Halla, 215, 216 (Ausschnitt) Ein besonderer Baum: die Süntelbuche Etwa halbwegs zwischen Häfnerhaslach und Sternenfels fällt südlich der Straße bei der Kreisgrenze ein großer, verkrüppelter Baum auf, der sich bei näherer Betrachtung als Rotbuche entpuppt und Kanzelbuche genannt wird. Der knickwüchsige bis schlangenförmige Wuchs ist nicht durch äußere Einflüsse bedingt, wie etwa Wind und Wetter, Krankheit, Tierfraß usw., sondern ist, wie sich anhand von Absaatversuchen nachweisen läßt, erblich bedingt (Halla 1972, S. 106, und Hockenjoos 1978, S. 62). Es handelt sich um eine Änderung des Erbgutes, Mutation genannt, mit der dendrologischen Bezeichnung Fagus sylvatica var. suentelensis. Die Bezeichnung Süntelbuche rührt daher, daß bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ein über 200 ha umfassender Bestand derartiger Gespensterbuchen an einem Ausläufer des Süntelgebirges, etwa 50 km südwestlich von Hannover, stand. 1848 wurde der Wald als wertloses Teufelsholz vollständig gerodet und verbrannt. Die Süntelbuche ist nach Lange (1977, S. 21) ein absoluter Fremdbestäuber. Will man die Süntelbuche der Nachwelt erhalten, so muß wieder eine Heim- und Lebensstätte in einem genügend großen Bestand geschaffen werden. Es genügt daher nicht, Pfropflinge von ein und demselben Baum auszupflanzen. Derartige Abarten kommen vermutlich des öfteren vor, jedoch wird diese gewunden wachsende Form von der normalen, gestreckt wachsenden Rotbuche überflügelt und unterdrückt. Hinzu kommt, daß derartige Wuchsformen meist schon früh den forstlichen Pflegemaßnahmen zum Opfer fallen. Im Schwäbischen Baumbuch von 1911 ist das Alter der Kanzelbuche mit etwa 200 Jahren angegeben. Es wird dort weiter erwähnt, daß der Baum bereits König Friedrich aufgefallen sei, der dann die Erhaltung dieser Renkbuche veranlaßt haben soll. Heute weist der Baum, von dem nur noch ein Ast in die Höhe ragt, schwere Schäden, vor allem durch Pilze, auf. Eines der bekanntesten Naturdenkmäler im Stromberg droht zu sterben. Das staatliche Forstamt Maulbronn hat in dankenswerter Weise neben der Kanzelbuche zwei Pfropflinge gepflanzt. Einen im Norden 1975 und einen im Süden 1992. Allerdings sind beide Pfropfreiser von der alten Kanzelbuche. Einem Aktenvermerk der Stadt Maulbronn vom 12. 05. 1992 entnehme ich, daß die Familie Freiherr von Münchhausen ihren Bräuten, welche nach anderen Orten heirateten, eine Süntelbuche als Brautgeschenk mitgegeben hat.
2002 Prof. Dr. Franz Gruber: Über Wachstum und Alter der drei bedeutsamsten Süntelbuchen (Fagus sylvatica L. var. suentelensis SCHELLE) Deutschlands Teil 2: Die Süntelbuchen von Lauenau und Raden (Ausschnitt) Aus dem Institut für Forstbotanik/Baumphysiologie der Georg-August-Universität Göttingen AG Dendrologie und Baumpflege (Mit 11 Abbildungen und 3 Tabellen) Von F. GRUBER 5. ZUSAMMENFASSUNG Beschrieben wird die Morphologie und das Wachstum der Süntelbuchen von Lauenau (ABB. 1) und Raden (Abb. 4a-c). Das jährliche Längenwachstum der SÜLAU1 lag in den letzten 6 Jahren noch zwischen 28 und 35 cm (Tab. 1). Der Radialzuwachs im Schaftbereich ist bezüglich des Baumalters mit durchschnittlich 4,1 mm pro Jahr sehr hoch (Abb. 2, 3). Das Alter der Lauenauer Süntelbuche liegt bei ca. 190 Jahren. Die Radener Süntelbuche, von welcher aus Bohrkernen und Stammscheibenin unterschiedlichen Stammhöhen Jahresringanalysen durchgeführt wurden (Abb. 5-10), erreichte ein Alter von ca. 255 Jahren. Die Radialzuwächse der Süntelbuchen von Gremsheim, Lauenau und Raden wurden im Vergleich dargestellt, wonach die SÜGREMS1 den höchsten Zuwachs aufweist (Abb. 11). Aufgrund der hohen Zuwächse werden die Alter von Süntelbuchen meistens überschätzt. Im Gegensatz zum normalen Buchenwachstum entwickeln sich jedoch die Süntelbuchen weniger in die Höhe als in die Breite (Krone) bzw. Dicke (Stamm). Eine genetische Inventur von mehreren unterschiedlich alten Süntelbuchen unter Einbeziehung von 9 Enzymsystemen zeigte, dass sich außer den künstlich vermehrten jungen Süntelbuchen am Dachtelfeld die Buchen mindestens an einem Genort unterscheiden (Tab, 2). Ein Vergleich der Genotypenhäufigkeiten zwischen den Süntelbuchen und von normalen Buchen einer Forstabteilung wurde angestellt (Tab. 3). Allgem. Forst- u. Jagd.-Ztg.,174. Jg., 1
2002 Prof. Dr. Franz Gruber: Die "Teufelsbuche" von Gremsheim Land & Forst 25, 20.06.2002 (Ausschnitt) Ein wünschenswertes Ziel ist, die Süntelbuchen zu vermehren und wieder an ihren ursprünglichen Standorten anzusiedeln. Unsere Waldökosysteme könnten dadurch wieder mit ästhetischen und einzigartigen Waldbildern angereichert werden, die in unserer Kulturlandschaft bereits weitgehend verloren gegangen sind. Denn im Rahmen des modernen Waldmanagements ist es notwendig, neben der Holzwirtschaft die Waldästhetik und die Waldarchitektur für den erholungssuchenden Menschen durch Anreicherung besonderer und uralter Baumbestände wieder mit in den Vordergrund zu stellen. Für die Wissenschaft sind derartige "Spielarten" grundsätzlich und insbesondere hinsichtlich genetischer Aspekte äußerst interessante Studienobjekte.
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