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Noch vor wenigen Jahrhunderten gab es im Süntel, im Weserbergland in Niedersachsen, einen grossen Bestand einer seltsam anmutenden Form der Rotbuche:
DIE SÜNTELBUCHEN
Drehwuchs, Krüppelwuchs, Schlaufenbildung und die sogenannten Hexenbesen gaben den Süntelbuchen nicht nur ihr ungewöhnliches, für viele Menschen auch unheimliches, Erscheinungsbild. Sie brachten ihnen auch die entsprechenden Namen ein:
Krüppelbuche, Hexen- oder Teufelsholz, Schlangenbuche und noch viele andere. Wie die Namen schon zeigen, waren die Menschen damals wenig begeistert von der Schönheit oder der Skurrilität dieser Bäume. Selbst wenn sie die Süntelbeuken, wie sie auf Plattdeutsch genannt wurden, nicht unheimlich und bedrohlich fanden, waren die Waldbesitzer keine Freunde des "Deuwelholts". Es liess sich wegen des Zick-Zack-Wuchses nicht verwerten. Nicht einmal als Brennholz konnte es in Meterstücken gestapelt werden. Die Süntelbuche wächst so gut wie nie einen ganzen Meter gerade in eine Richtung!

So schlug im Jahre 1843 die letzte Stunde des letzten noch verbliebenen Süntelbuchenwaldes auf der Westeregge und im Bleeksgrund bei Hülsede am Nordhang des Süntels. Es war eine Zeit der Not aber auch eine Zeit des Neubeginns, der Umstrukturierungen. Die Forstgenossenschaft hatte ein über 200 Hektar grosses Waldgebiet an ihre Mitglieder verteilt. Um die ehemalige Allmende effektiver bewirtschaften zu können, holzten die Bauern die Süntelbuchen ab und verbrannten sie. Der zuständige Landdrost versuchte noch wenigstens einen kleinen Bestand zu retten. Doch seine Bemühungen waren vergebens. Die Westeregge wurde zu einer Hudefläche, zu Weideland.
Am Ende des Jahres 1843 gab es statt über Tausend nur noch einige Handvoll Süntelbuchen in der Deister-Süntel-Gegend westlich von Hannover.

Glücklicherweise gab es schon in früheren Zeiten Menschen, die sich ohne Kosten-Nutzen-Rechnungen an den Schönheiten der Natur erfreuen konnten. Die Süntelbuchen hatten sich (vermutlich) mit Hilfe des Menschen ausgebreitet. Es gab kleinere Bestände im hessischen Kellerwald, im lothringischen Verzy und im Elsass bei Metz. Im Norden standen und stehen heute noch Süntelbuchen auf Seeland in Dänemark und im südschwedischen Schonen.

Nachdem der Mensch für die Verbreitung der Süntelbuche gesorgt hatte, brachte er sie vor 160 Jahren an den Rand der Ausrottung. Fagus sylvatica `Suntalensis` war nun erst recht zu einer Rarität geworden. Und das wiederum trug dazu bei, dass die Bäume in den darauf folgenden Jahrzehnten als originelles Geschenk wieder weiter verbreitet wurden. Die Adelsfamilie von Münchhausen machte es sogar zur Familientradition, jeder Tochter zur Hochzeit eine Süntelbuche an ihrem neuen Wohnort zu pflanzen. Viele Einzelexemplare fanden im Lauf der Zeit ihren Weg in die Parks und Botanischen Gärten Mitteleuropas und darüber hinaus. Schliesslich begann man, sich auch um die Arterhaltung zu sorgen und pflanzte ausser Einzelbäumen einige grössere Baumgruppen. Dabei war die Nachzucht aus Bucheckern nicht ganz einfach. Denn nicht jede Jungpflanze zeigt alle Eigenschaften der typischen Süntelbuche. Auch ganz normale Rotbuchen können aus ihnen entstehen. Weniger als die Hälfte der Bucheckern ergeben wieder richtige Süntelbuchen.

In der Nähe der kahl geschlagenen Westeregge, nahe der kleinen Ortschaft Raden auf einer Schafweide, seit 1609 im Besitz der Familie von Münchhausen, stand noch bis 1994 eine besonders schöne `Suntalensis`: die Tillybuche. Sie war schon 1843 recht groß und wurde bei der Rodung als einzelner Baum, als Schattenspender für die Tiere, stehen gelassen. Der Volksmund übertrieb etwas bei der Namensgebung. Der Feldherr Tilly (1559-1632) hat im Dreissigjährigen Krieg sicher nicht unter ihr geruht, aber ein Alter von 250 Jahren hat sie mindestens erreicht. Sie wurde zum grössten und schönsten Baum ihrer Art.

Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zog der Bad Nenndorfer Gartenbaumeister Carl Thon aus ihren Bucheckern ca. 50 Tochterpflanzen und schuf mit ihnen eine kleine Süntelbuchenallee im Kurpark von Bad Nenndorf am Nordrand des Deisters, 20 km vom Standort der Tillybuche entfernt. Durch Absenkerbildungen und Nachpflanzungen entstand daraus eine Baumreihe mit fast 100 Stämmen!
Schon seit einigen Generationen lernen die Kinder diese Bäume als "Kletterbäume" kennen und schätzen. Diese Beliebtheit hat leider auch eine unschöne Seite. Die Süntelbuchen leiden sehr unter der beschädigten Rinde und den abgebrochenen Ästen.
In den letzten zehn Jahren sind noch einmal über 20 Jungbuchen, im Kurpark verteilt, gepflanzt worden. Bad Nenndorf besitzt heute somit den grössten Bestand an Süntelbuchen in Deutschland.

Eine Konkurrentin, bzw. die Nachfolgerin der Tillybuche im Rang der Grössten und Schönsten steht in Gremsheim, nördlich von Bad Gandersheim im Landkreis Northeim am Rand des Hebers. Sie ist über 200 Jahre alt und hat einen Stammumfang von fast 6 Metern.
Zwischen Deister und Süntel im Lauenauer Volkspark steht noch eine, nur wenig kleinere Süntelbuche, die auch schon ein Alter von fast 200 Jahren erreicht hat .

Die mühevolle Nachzucht aus Bucheckern wird heute häufig durch andere Vermehrungsarten, z.B. durch Pfropfen, ersetzt. Vom Aussterben ist diese Baumart sicherlich nicht mehr bedroht. Sie hat viele Freunde und Förderer gefunden. Mitglieder der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, wie Prof. Franz Gruber von der Universität Göttingen und Gerhard Dönig aus Erlangen haben die Süntelbuchen ausführlich beschrieben. Sie haben Nachwuchs gezüchtet und gepflanzt. Auch Prof. Friedrich Lange, der sich bereits in den sechziger Jahren eingehend mit ihnen befasste, sei hier erwähnt. Der ehemalige Stadtbaumeister Gregor Kuhn aus Bad Münder ist mit über 300 Neuanpflanzungen wohl seit Jahrzehnten der bekannteste und erfolgreichste "Züchter". Der Heimatforscher und Autor Udo Mierau aus Eimbeckhausen engagiert sich durch private Neuanpflanzungen für den Erhalt und die Verbreitung dieser schönen Bäume. Wer genug Platz hat, kann sich eine Süntelbuche in den eigenen Garten pflanzen. Immer mehr Baumschulen haben sie in ihr Sortiment aufgenommen, meist unter dem botanischen Namen Fagus sylvatica `Tortuosa`.

Seit in den sechziger Jahren in Luttringhausen im Deister-Süntel-Tal rotblättrige Exemplare entstanden ( Blutbuche und Süntelbuchen standen gemeinsam in einem kleinen Privatpark), wurden auch rotblättrige Süntelbuchen vermehrt. Der Buchen-Experte Gerhard Dönig gab ihnen den Namen "Rot-Süntel", bei anderen heissen sie Fagus sylv.Tortuosa Purpurea.

 
   
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